Dissoziation

Ich habe oft Anfragen in Bezug auf die Borderline-Störung gestellt bekommen. „Was ist das manchmal scheint sie/ er mir unerreichbar, als ob sie/ er gar nicht da ist? Zwei sind oder „Von jetzt auf gleich erscheint sie/ er wie ein vollkommen anderer Mensch, als ob sie/ er ein anderer ist?“

Da diese Fragen immer wieder auftauchen, möchte ich kurz darauf eingehen.

Nun, zum einen liegt das an der Spaltung der Borderliner-Störung, zum anderen dissoziiert der Borderliner aber auch. Dissoziieren, das Gegenteil von assoziieren. Der Begriff Dissoziation bezeichnet das ursprüngliche Krankheitsbild der multiplen Persönlichkeit (sstörung) oder auch dissoziative Identifikationsstörung (DIS).  Nun schreien Sie nicht gleich: „Hilfe, mein Partner ist multiple gestört oder hat die multiple Persönlichkeitsstörung“, dem ist nicht so. Sie kennen alle Mr. Jekill und Mr. Hyde? Ich weiß, das viele von Ihnen, in Ihrem Schmerz, den Partner bzw. Ex- Partener (Borderliner) damit vergleichen. Tun Sie das bitte nicht. Hier wird die DIS bzw. die multiple Persönlichkeitsstörung dargestellt (beruht allerdings auf einen Arzneimittelselbstversuch).

Die Borderlinepersönlichkeit dissoziiert in manchen Situationen. Insbesondere in Situationen, die für seine Psyche eine enorme, für ihn nicht mehr auszuhaltende, Belastung darstellen oder in denen sein Gehirn es ihm gestatten würde, sich an traumatische Erlebnisse in der Kindheit zu erinnern (z.Bsp. Sexueller, inzestuöser Missbrauch).

Zum anderen wissen wir ja bereits, dass der Borderliner durch seine ICH- Fragmente kein klares Identitätsbild von sich hat. Das ist keine Identitätsstörung. Die Dissoziation ist zuerst einmal eine Schutzfunktion für den Borderliner / in der Borderline-Störung. Diese Schutzfunktion wird nicht bewusst geschaltet, sondern ist ein Teil eines erlernten Schutzprogramms.

Für den Borderliner ist es nicht einfach, Ihnen Zustände, an die er sich nicht erinnert, zu erklären.

Ein kurzer Abschweif, da nicht näher auf die DIS ( dissoziative Identitätsstörung) bzw. multiple Persönlichkeitsstörung und die posttraumatische Belastungsstörung eingegangen werden soll. Viele Fachleute sind mit der Diagnose DIS oder MPS und der Borderline-Störung nicht unbedingt glücklich. Sie diskutieren darüber, besser alle zwei mit der posttraumatischen Belastungsstörung (posttraumatisches Belastungssyndrom) unter dem Begriff „Störung durch schwere Stresserfahrungen“ zusammenzufassen. Das mag daran liegen, dass die DIS , wie auch die Borderline-Störung schwer zu diagnostizieren sind. Weiterhin sind manche Fachleute der Meinung, dass die Wirklichkeit dieser Menschen in den jetzigen Diagnosen jeweils nur zu zwei Drittel beschrieben wird. Gut, das soll uns jetzt hier nicht weiter stören.

Zurück zur Dissoziation des Borderliners. Zu betonen ist, dass nicht alle Borderliner dissoziieren. Das liegt vielleicht daran, dass nicht alle im wiederholten oder gleichen Ausmaß traumatische Kindheitserlebnisse hatten. Auch der Zeitpunkt in der kindlichen Entwicklung ist ausschlaggebend. Weiterhin ist die Störung ja unterschiedlich stark ausgeprägt. Der Borderliner (Borderline-Störung) wechselt nicht, wie bei der DIS, in eine andere Person- wobei es sich hier nicht um eine oder mehrere eigenständige Personen handelt, sondern lediglich um abgespaltene Aspekte der Gesamtpersönlichkeit- sondern er geht in eine innere andere Welt. Man könnte auch sagen „er verlässt sich“ . Allerdings haben beide eines gemeinsam. Das Verhalten kann, für uns nicht ersichtlich, aus welchem Grund, von der einen auf die andere Minute plötzlich umschlagen, als ob es ein ganz anderer Mensch ist. Das Bewusstsein zieht sich zurück um den überwältigenden negativen Emotionen zu entkommen.

Folgen dieser Schutzreaktion sind dann (das ist normal für dieser Art der Schutzreaktion) drängende beängstigende Erinnerungsbilder, sogenannte Flahbacks. Flashbacks sind wiederum posttraumatische Symptome. Nehmen wir den sexuellen inzestuösen Missbrauch. Die seelische Grausamkeit, die einem Kind hier angetan wird, ist nicht in Worte zu fassen, erfasst ja kaum unserer Verstand oder Vorstellungskraft. Wie also soll ein Kind so etwas bewältigen? Es muss eine Stategie finden, um dieser Belastung standzuhalten. Es stellt sich nach außen „mir passiert das nicht, das passiert einem anderen“. Dazu muss es in der Phantasie andere Personen (Persönlichkeiten) erfinden, denen diese Grausamkeiten zugefügt werden. Diese werden dann, je häufiger und massiver diese Grausamkeiten, mehr und mehr verinnerlicht und bilden abgespaltene Aspekte der eigenen Persönlichkeit- da ja alles im Inneren stattfindet. Da das Kind die Dissoziation als erfolgreich erlebt, erlernt das Gehirn auf diesen Abwehrmechanismus zurück zu greifen. Das Heißt, die dissoziative Reaktion schleift sich ein und immer selbstverständlicher genutzt. Der Sinn der Dissoziation besteht also darin, eine innere Wirklichkeit als Überlebensraum zu erschaffen. Der Schutzraum der inneren Wirklichkeit besteht ohne Therapie für immer. Es ist somit nicht verwunderlich, dass der Borderliner (Borderline-Störung), der nur allzu oft ein Traumaopfer ist, schon in leichten Krisensituationen dissoziiert.